2. Juni 2012
von Romay
Kommentare deaktiviert für Mein Abgesang auf den Blues
Der Blues und ich, wir sind nicht die besten Freunde. Eher ehemalige Freunde, die sich inzwischen weitgehend aus den Augen verloren haben und nur noch alle paar Monate mal kurz sehen. Flüchtige Bekannte.
In den frühen 70ern, als viele Neuerscheinungen auf Blues basierten, da war das noch anders, da war’s aber auch noch spannend. Heute schaut hin und wieder mal Joe Bonamassa vorbei, vielleicht auch Warren Haynes, aber das war’s auch schon.
Auf einen Artikel in der aktuellen Eclipsed (Juni 2012, S. 26) hin habe ich mir das just erschienene Album von Walter Trout via Napster/Rhapsody angehört – bzw. höre es noch, während ich das hier schreibe. Das Album hat den schönen Namen „Blues for the Modern Daze“, und ich verstehe den Titel jetzt einfach mal als Ansage.
Also, entweder hat der gute Mann die letzten 40 Jahre verschlafen, oder wir befinden uns in den frühen 70ern und ich hab da was verpaßt. Modern ist da maximal der Titel. Der „Blues for the Modern Daze“ klingt haargenau so, wie der Blues von gestern. Und der von vorgestern. Und das ist etwas, das mir schon seit vielen Jahren bei Bluesalben auffällt.
Das ist Stagnation pur, da passiert überhaupt nichts, nada, zero. Für mich ist der Blues inzwischen sowas von tot… Genau deswegen ist er heutzutage auch nur noch seltener Gast auf meinen Abspielgeräten, denn es gibt Erfreulicheres als die Anwesenheit von Zombies.
Hin und wieder gibt’s Reanimationsversuche. Vor ein paar Monaten ist mir die Single „Bourgeois Blues“ von Zea & Xavier Charles (leider nicht bei YouTube verfügbar) untergekommen. Das Stück klingt modern und gefällt mir ausgesprochen gut. Es klingt nach Blues und trotzdem aufregend anders. Das liegt an der recht prominenten Klarinette, und die wiederum dürfte (Spekulation!) einigen gestandenen Bluesern sauer aufstoßen. Doch warum eigentlich?
Was ist falsch daran, mal etwas Neues auszuprobieren? Wenn es gut und spannend klingt, dann ist’s letztendlich egal, wie dieses Klangerlebnis zustande gekommen ist. Einzig das Resultat zählt. Man möchte dem Blues zurufen: „Mach was! Probier was aus! Experimentiere!“. Wenn ich zig Jahre lang auf der Stelle trete, dann habe ich mich keinen Millimeter in irgendeine Richtung bewegt, stehe dafür aber in einem unglaublich tiefen Loch. Das kann doch keiner wollen! Oder?
Ob’s noch mal für eine neue Freundschaft reichen wird? An mir soll’s nicht liegen. Vielleicht kommt der Blues ja mal aus seinem Loch raus und weiß zu überraschen. Große Hoffnung mache ich mir allerdings nicht mehr.